Die EU-Kommission verhandelt derzeit mit den Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament über die langfristige Speicherung für Fluggast-Passagierdaten. Diese Passagierdaten oder »Passenger Name Records« (PNRs) fallen bei den Airlines an und werden dort für die Abwicklung des Flugverkehrs für jeden Fluggast benötigt. Zu den erhobenen Daten zählen beispielsweise: die komplette Wohn- und E-Mail-Adresse, Kreditkartenummer, der Vermerk, ob es sich um einen Vielflieger handelt; auch nicht angetretene Flüge werden erfasst. Der aktuelle Entwurf sieht vor, dass diese Daten an Polizei und Geheimdienste zu übermitteln sind.
Besonders bedenklich ist die fünfjährige Speicherdauer der Passagierdaten. Es ist fraglich, ob die vorgesehene Anonymisierung nach zwei Jahren ausreicht, wenn die Informationen mit anderen Datenbanken der Sicherheitsbehörden oder Nachrichtendienste verknüpft werden.
Unklar ist ebenfalls, in welchem Umfang die Daten an die USA weitergeben werden. Es ist zu befürchten, dass die USA die Passierdaten für noch längere Zeiträume speichern. Der Datentransfer soll über automatisierte Schnittstellen abgewickelt werden, ohne dass Einspruchsmöglichkeiten seitens der EU vorgesehen sind oder eine einzelfallbezogene Kontrolle stattfinden würde.
Bei Sicherheits- und Nachrichtendiensten werden die Passagierdaten auf der Basis unbekannter Merkmale und Beziehungen kategorisiert und organisiert. Wie die algorithmischen Einordnung einer oder eines Reisenden stattfinden und was dazu führt, dass diese oder dieser als »verdächtig« markiert wird – was besondere Kontrollen oder gar die Verweigerung der Reise zur Folge haben kann – ist gegenwärtig vollständig intransparent.
Es ist zu erwarten, dass die erhobenen Daten zu individuellen Profilen zusammengeführt werden mit denen Bewegungen und Beziehungen eines Individuums oder einer bestimmten Gruppe sichtbar gemacht werden können. Werden diese Profile zudem mit statischen Prognosetechnologien verknüpft – unter dem Schlagwort Predictive Policing ist vergleichbares für den Polizeieinsatz in verschiedenen Bundesländern vorgesehen – ist die Vorhersage des nächsten Urlaubsziels einzelner EU-Bürger*Innen ebenso möglich, wie die Vorhersage der Akquise eines Großauftrags in der Industrie oder die Anbahnung von Firmenfusion – Informationen, die für die Wirtschaftsspionage durch außereuropäische Dienste von hohem Wert sein dürften.

In den europäischen Ländern in denen bereits umfangreiche Vorratsdatenspeicherungen von Kommunikationsdaten existieren, hat deren Speicherung und Analyse keine Anschläge verhindern können. Statt die Mittel in den Ausbau konventioneller polizeilicher Ermittlungsarbeit zu investieren, setzen Politiker und Funktionäre der Sicherheitsbehörden ihr Vertrauen in Technologien, deren Eignung für das behauptete Ziel – die Bekämpfung oder gar Voraussage von Terroranschlägen – bisher nicht nachgewiesen ist.
Diese Entwicklung zeichnet das Bild eines zunehmend überwachten Europas, in dem Reiseziele von Urlauberinnen und Urlaubern in das Visier von Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste geraten. Sie zeigt auch eine erschreckende Ignoranz der Kommission den Schutz der Privatsphäre aller EU-Bürger*Innen betreffend.
Grundrechte und Werte wie Privatsphäre und Reisefreiheit werden unter diesen Umständen immer weiter eingeschränkt. Es entstehen nicht demokratisch kontrollierte Kontroll- und Monitoringinstrumente, vollkommen im Gegensatz zu den hoch gelobten europäischen Grundrechten und Werten.

Wir sehen diese Entwicklung mit Sorge. Das Bündnis Privatsphäre Leipzig beteiligt sich daher am 11. April an dem deutschlandweiten Aktionstag gegen Passagierdatenspeicherung, der an mehreren deutschen Flughäfen stattfinden wird. Vor Ort wollen wir Reisende am Flughafen Leipzig/Halle zu den Einschränkungen ihrer Grundrechten und über die Risiken, welche die Fluggastdatenspeicherung nach sich zieht, informieren.
Bereits am 28. März hatten Aktivist*Innen im Rahmen der Kampagne Verfolgungsprofile an Flughäfen Aufklärungsarbeit zur geplanten Fluggastendatenspeicherung geleistet.